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Die Geräuschstimme im Heavy Metal

Forschungskooperation zwischen der Universität zu Köln, dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig und dem Universitätsklinikum Leipzig

Laufzeit: 2012 bis 2017

Verantwortlich: Marcus Erbe (Musikwissenschaftliches Institut der UzK), Sven Grawunder (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig, Abteilung für Verhalten, Ökologie und Kultur des Menschen), Michael Fuchs (Universitätsklinikum Leipzig, Sektion für Phoniatrie und Audiologie)

Das transdisziplinäre Projekt ist der Analyse weitegehend unerforschter Stimmbildungsprozesse, wie sie insbesondere im Gesang des Heavy Metal und des Hardcore Punk anzutreffen sind, aus zugleich musikwissenschaftlicher und phonetisch-medizinischer Perspektive gewidmet. Eine Versuchsreihe zu Projektbeginn mit Vokalisten aus den Genres Death Metal, Sludge Metal und Grindcore hat gezeigt, dass bei Gesangstechniken wie Growling, Screaming oder Shouting organische Strukturen oberhalb der Stimmlippen in Schwingung versetzt werden (beispielsweise der Kehldeckel, die Taschenbänder und die aryepiglottischen Falten), die beim herkömmlichen Singen und Sprechen kaum Verwendung finden. Welche Signifikanz die genannten vokalen Techniken für die Sängerinnen und Sänger haben und wie sie erlernt werden, wird mittels qualitativer Forschungsmethoden zusätzlich eruiert.

Ein darüber hinausgehendes kulturwissenschaftliches Interesse schließt an die fächerübergreifend geführte Monstrositätsdebatte an. So lassen sich – etwa im phantastischen Film, in Videospielen, in vokaler Performancekunst, Lautpoesie und zeitgenössischer Kunstmusik – zahlreiche Instanzen des Singens und Sprechens finden, bei denen der stimmhafte Charakter herkömmlicher vokaler Aktionen um stark geräuschhafte Arten der Stimmgebung erweitert wird. Vielen dieser vokalen Praktiken ist gemeinsam, dass transgressive Ausdrucksgehalte (Wahnsinn, Magie, das Teuflische, die Geisterwelt usw.) zwar nach wie vor stilisiert, aber in einem klangsinnlich breiteren Umfang transportiert werden, als es im Kontext früherer Stimmästhetiken üblich war. Daher bietet es sich an, nach den kulturellen und medialen Voraussetzungen solcher oft monströs wirkenden Stimmen zu fragen sowie mögliche Wechselwirkungen zwischen den Künsten bzw. Medien zu ergründen (siehe hierzu Marcus Erbe, By Demons Be Driven? Scanning “Monstrous” Voices, in: Hardcore, Punk, and Other Junk: Aggressive Sounds in Contemporary Music, hrsg. von E. J. Abbey und C. Helb, New York 2014, S. 51–71).

Die hier beschriebene Forschung wird seit Juli 2018 in Zusammenarbeit mit der Gesangspädagogin Renate Braun und mit Unterstützung der Deutschen Stimmklinik Hamburg fortgeführt. Einen neuen Schwerpunkt bildet der Genderaspekt inklusive der kritischen Überprüfung bestehender Verdikte über die Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsspezifischer Stimmbenutzung.

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