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Die Bibliotheksbestände des Kölner Musikwissenschaftlichen Instituts im Netzwerk der NS-Zeit

Projektlaufzeit: April 2021 - April 2023
Projektleitung: Prof. Dr. Federico Spinetti / Dr. Lüder Schmidt
Wissenschaftliche Projektbearbeitung: Dr. Ricarda Kopal
Wissenschaftliche Hilfskraft: Max Jakuschew M.A.
Kontakt: mwi-provenienz@uni-koeln.de   

Provenienzforschung in einer Musikwissenschaftlichen Bibliothek

Die Bibliothek des Kölner Musikwissenschaftlichen Instituts wurde seit 1920 zunächst von dem Musikwissenschaftler Ernst Bücken (1884-1949) aufgebaut. Maßgeblich für die Bestandserweiterungen in den 1930er und frühen 1940er Jahren waren jedoch die Institutsdirektoren Theodor Kroyer (1932-1938) sowie Karl Gustav Fellerer (1939-1970). Durch ein Projekt zur Erforschung der Musikinstrumentensammlung des Instituts (2017-2019) konnte bereits dokumentiert werden, dass Fellerer nicht nur über längere Zeit hinweg eng mit dem Leiter des Sonderstabs Musik im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) zusammengearbeitet hat, sondern auch persönlich wiederholt für den ERR tätig geworden ist. Zugleich war bei zahlreichen, zum Teil ggf. wertvollen Bänden in der Bibliothek des Instituts die Herkunft unklar, sodass hier weitere Forschung dringend notwendig erschien. Ausgangspunkt für das zweijährige, durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste geförderte Forschungsprojekt war zunächst der Rara-Bestand der Institutsbibliothek. Das Auffinden von Rechnungsbüchern des Instituts, welche den Zeitraum 1932-1945 dokumentieren, bot einen erfolgversprechenden Ansatzpunkt für die Identifizierung von Zugängen, die während der NS-Zeit erfolgten und einer Erforschung ihrer Provenienzen.

Ziele des Projekts waren einerseits eine systematische Überprüfung der genannten Bestände und die Identifizierung und gezielte Erforschung kritischer Zugänge aus dem Zeitraum 1933-1945. Darüber hinaus stand das damalige Personal des Instituts sowie dessen vielfältige Verflechtungen in Strukturen der Universität und des Wissenschaftsbetriebs, der Stadt, des Staates, der NSDAP und des Kulturlebens im Fokus des Interesses. Im Rahmen der von 2021 bis 2023 durchgeführten Projektarbeiten wurde der vollständige Rara-Bestand der Institutsbibliothek mittels Objektautopsien überprüft und die so gewonnenen Erkenntnisse mit den Rechnungsbüchern und weiteren relevanten Quellen abgeglichen. Auf diese Weise konnten zahlreiche Zugänge und verschiedene Zugangswege im Zeitraum 1933-1945 identifiziert werden. Zudem wurden durch ausführliche Recherchen zu den im fraglichen Zeitraum im Musikwissenschaftlichen Institut tätigen Personen wichtige Erkenntnisse über Arbeitsstrukturen und -prozesse in Zusammenhang mit der Institutsbibliothek gewonnen. Besonders die Verflechtung Karl Gustav Fellerers mit dem ERR/Sonderstab Musik spielte offenkundig eine wichtige Rolle in Zusammenhang mit der Bestandserweiterung der Bibliothek des Kölner Instituts. Die Rechnungsbücher boten zudem Ansätze für die Recherche zu Geschäftsbeziehungen, die das Institut mit Buch- und Musikalienhandlungen, Antiquariaten und Privatpersonen unterhielt und zu deren Hintergründen.

Die Rechercheergebnisse sowie bestehende Forschungsdesiderate sind in einem ausführlichen Projektbericht dargestellt und werden über die Forschungsdatenbank Proveana veröffentlicht. Die identifizierten Bibliotheksbestände, bei denen der Verdacht auf NS-Raubgut besteht, wurden in der Datenbank Lost Art dokumentiert und soweit möglich Provenienzinformationen in den von der Institutsbibliothek genutzten elektronischen Dokumentationssystemen ergänzt.